Asti, die Festen Häuser von San Martino

Asti, die Festen Häuser von San Martino

Städtische Routen

Asti, die Festen Häuser von San Martino
Auch das südlich des Corso Alfieri gelegene Viertel ist reich an mittelalterlichen Spuren, die den enormen Reichtum der Adelsfamilien belegen. Fast alle Straßen die südlich der ehemaligen Contrada Maestra verlaufen, tragen noch heute die Namen der Adelsfamilien, die einst die Festen Häuser und Palazzos bewohnten.

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Asti, eine echte mittelalterliche Hauptstadt

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Es ist nicht einfach, sich vorzustellen, wie Asti einem verblüfften Händler des 14. Jahrhunderts erschienen sein mag: eine Stadt, wo die Häuser ganze Häuserblöcke einnahmen und rund hundert hohe Türme in den Himmel aufragten, und deren Einwohner Staaten und ferne Kriege finanzierten und auf Augenhöhe mit Kaisern verhandelten. Es ist wahr, dass viele Türme zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert gekappt wurden und im 20. Jahrhundert riss man einen Teil der mächtigen inneren Stadtmauer ab, die um das "recinto dei nobili", das Viertel der Adeligen. Die andere, von den Visconti errichtete, war die um das Bürgerviertel, "recinto dei borghigiani". Sie ist bereits in den vorangegangenen Jahrhunderten verschwunden, ebenso wie die Zitadelle auf der Piazza Alfieri.

Wir starten am Torre Rossa (Rote Turm) und biegen rechts in die Via Isnardi ein, deren niedrige Häuser und hohe Mauern die Gärten verstecken, die auf dem Gelände der ehemaligen, inneren Stadtmauer entstanden sind. Die Straße biegt im 90°-Winkel ab und kurz darauf befindet sich der Durchgang der Porta Paradisi (der Himmelspforte) zur Wallfahrtskirche Madonna del Portone. Die stattliche Kirche wurde im 20. Jahrhundert von dem aus Bologna stammenden Gualandi erbaut, der im Astigiano sehr aktiv war. Der heutige Durchgang nutzt das ehemalige Stadttor San Giuliano, das einzige, das von den zehn Toren der mittelalterlichen, inneren Mauer erhalten ist. 

Die Via Isnardi kreuzt nun die Via Mazzini, wo viele Häuser der guelfischen Malabaila standen. Ihr Palazzo gleich links am Anfang der Straße bezeugt ihren Reichtum: eine mächtige Renaissance-Fassade mit Sandsteinfriesen. Trotz gewisser Alterserscheinungen bewahrt er seinen Reiz und es wundert nicht, dass hier der französische Kaiser Franz I zu Gast war.

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Asti, das Viertel der Kathedrale

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Etwas weiter, auf der rechten Seite (Nr. 4), können wir die Fassade des Casa Forte der Montafia bewundern. Sie ist mit einem heute gekappten Turm verziert und mit zwei Spitzbogenfenstern aus Terrakotta, über denen sich noch zwei ursprüngliche, zweibogige Fenster befinden. Wir biegen in die Via Malabaila ein, ein stimmungsvolles Sträßchen, in dem einst auf der rechten Seite die Häuser der Asinari di Grésy, der Cacherano della Rocca und der Busca del Mango standen. Viele der heutigen Gebäude weisen noch beachtliche Spuren jener Vergangenheit auf. Die Nr. 6 ist der sanierte Palazzo Ponte und gegenüber, Ecke Via Asinari, steht der mächtige Korpus eines weiteren Palazzo Malabaila (vom Zweig der Antignano), der noch immer seinen alten Turm bewahrt. Bemerkenswert ist auch der folgende Palazzo Roero di Settime e Mombarone, der an der Piazza San Martino steht. Noch in der Via Asinari können wir dem Palazzo Crivelli di Canelli nachtrauern, der zwar die ursprünglichen Formen bewahrt hat, aber mit der komplexen Stratigraphie der Jahrhunderte. Die Via Malabaila stößt direkt auf die Via Roero, wo als perfekte Kulisse der Torre dei Roero di Monteu emporragt. Einst hatte er drei weitere Stockwerke, die alle mit zweibogigen Fenstern verziert waren. Der niedrige Bogen auf der linken Seite war der Dienstboteneingang, denn der Palazzo ging auf die Piazza. Das Casa-forte der Roero war sehr ausladend. Es erstreckte sich bis zur Ecke Via Sella und war wie alle Festen Häuser vollständig unabhängig.

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Asti la città dei mercanti

Asti: die Stadt der Händler

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In der Via Roero standen viele Häuser dieser mächtigen, ghibellinischen Adelsfamilie, deren Zweige überall Lehen hatten, vor allem in den Gebieten links des Flusses Tanaro, die noch heute ihren Namen tragen. In der Via Roero wohnten die Zweige von Monteu, Settime, Cortanze und Piea. Der riesige Palazzo dei Roero di Settime zeigt uns heute eine Barockfassade, freskierte Innenräume und eine stattliche Prunktreppe, die ins Obergeschoss führt. Die Via Roero mündet in den Corso Alfieri an der Ecke des Torre De Regibus (siehe Route Asti, das Viertel der Kathedrale), während sie in der entgegengesetzten Richtung zur Piazza San Giuseppe führt. In diesem Abschnitt stehen der Palazzo Roero di Cortanze, heute Casa Costacurta, und der angrenzende Palazzo Roero di Piea e Monticello zur Schau.

Im Westen der Piazza San Giuseppe erstreckt sich das sogenannte Areal "der Kasernen", an dem einst das Kloster Sant’Anna und das Karmeliterkloster standen und das ab dem 19. Jahrhundert militärisch genutzt wurde. Der Komplex ist ein gutes Beispiel für die homogene Bauweise jenes Jahrhunderts und wird momentan saniert: Hier befinden sich das Archivio di Stato (Staatsarchiv) und das Gericht. 

Die barocke Kirche San Giuseppe ist heute das Theater Kor, einer der Veranstaltungsorte des Festival Nazionale AstiTeatro. Nach der erfolgten Restaurierung kann man nun die erhaltenen Fresken bewundern. Hinter dem Palazzo Trascheri betreten wir die Via Grassi, wo Ecke Via Brofferio die Kirche San Rocco (17. Jh.) mit ihrer nüchternen Ziegelfassade steht. Sie bewahrt zwei Holzstatuen, einen reichen Altar, vielfarbigen Marmor und zahlreiche, bedeutende Gemälde. 

Wir kehren zurück zur Ecke Via XX Settembre, wo rechts das kuriose, ursprünglich mittelalterliche Casa Baussano steht, das im 20. Jahrhundert von dieser bekannten, lokalen Familie von Dekorateuren bemalt wurde, die auch die ersten Banner des Palio bemalten.

Das mächtige Gebäude, das die Ecke Via XX Settembre/Piazza San Giuseppe/Via San Martino beherrscht, ist der bedeutendste Palazzo der Pelletta. Er bewahrt den größten mittelalterlichen Fondaco (Handelslager) der Stadt und stand strategisch günstig vor dem Stadttor von San Martino, das der Straße, in die wir nun einbiegen, ihren Namen verlieh. Der erste Abschnitt ist einer der schönsten Winkel des Viertels. Die ruhige Fußgängerzone schlängelt sich gemächlich an sanierten Palazzos vorbei, ebenso wie die rechte Querstraße Via Cotti Ceres, an der der gleichnamige Palazzo steht, sowie weitere Adelshäuser. An der Ecke Via Solari befindet sich der Palazzo der Galli, einst wahrscheinlich der Solaro, dessen Eckstein zwei Hähne (galli) zieren. Wir folgen diesem engen, stimmungsvollen Sträßchen bis vor das Augustinerkloster an der Ecke Via Solari/Via Bonzanigo.

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Via Bonzanigo ist eine weitere ruhige, romantische Straße, die eine seltene Kuriosität aufweist: einen echten Bauernhof im ehemaligen Kloster: Cascina del Racconto. Wir befinden uns nun in der sogenannten Contrada della Campana (Glockenstraße), weil einst ein kleiner Bogengang mit einer cioca (Glocke im Dialekt) an der Ecke Piazza Statuto stand. Der Bogengang grenzte an ein Haus der Natta an, eines der Festen Häuser Astis, wo dann die ersten Gefängnisse entstanden, genau an der Ecke Via Sella. An dieser Straße, ebenso wie an den Parallelstraßen Via Garetto und Via Aliberti und an zahlreichen Querstraßen, stehen viele Adelspalazzos, deren alte Ursprünge im Lauf der Zeit versteckt wurden, aber die Seele der Häuser Astis bleibt immer mittelalterlich.

Im letzten Abschnitt wird die Via Sella breiter und heißt Largo Alfieri, zu Ehren des Architekten Benedetto Alfieri. Wir legen eine Pause ein und bewundern ausführlich den Palazzo Gazelli di Rossana, einst Palazzo dei Cotti di Ceres e Scurzolengo, und das Feste Haus der Roero di Cortanze. Das erste ist eines der schönsten Barockgebäude Astis und wurde von Alfieri entworfen. Die eleganten Linien der Fassade mit dem Portal und den spanischen Gittern sind nur ein Vorgeschmack auf den Reichtum der Innenräume. Das Atrium, die Prunktreppe, die Loggia und die Terrasse überbieten sich mit Stuckverzierungen. Der Palazzo, zu dem auch ein lauschiger Botanischer Garten mit angeschlossener Kapelle gehört, bewahrt in den oberen Sälen 16 Holzschnitte des Palio von 1758, die man gelegentlich besichtigen kann. Die Arbeiten des Alfieri bezogen auch den Sockel des mächtigen Turms mit ein, der die äußere Ecke zierte.

Der sogenannte Torre dei Ponte di Lombriasco, die ersten Besitzer des Festen Hauses, ist einer der stärksten der Stadt. Obwohl er schräg gekappt wurde, bewahrt er den grimmigen Eindruck einer uneinnehmbaren Hochburg, die das Gebäude ursprünglich auch war.

Ganz anders der Palazzo dei Roero di Cortanze mit eleganten, zweibogigen Fenstern im zweiten Stock und mehrfarbigen Bögen, die eine Harmonie und Anmut ausstrahlen, die schlecht mit der ursprünglichen Funktion des Festen Hauses vereinbar sind. An der äußeren Ecke ragte einst ein Turm empor, der heute gekappt und mit zweibogigen Fenstern verschönert ist. In den Statuten liest man, dass Astis Türme nicht höher sein durften als der der Bertramenghi-Scarampi. Auf der Piazza San Secondo wird auf der Fassade ihres Palazzos daran erinnert. Die Türme mussten daher weniger als 40 Meter hoch sein. Im selben Häuserblock steht das bereits erwähnte Gebäude Casa Costacurta, dessen sattes Rot der Ziegel nur Raum lässt für das Rautenmuster der Gitterziegel, eine typische, lokale Verzierung, und die Anmut der zweibogigen Fenster. Den Roero di Cortanze gehörte einst der ganze Häuserblock und auch dieses Gebäude war Teil eines einzigen Festen Hauses.

Von der Via Sella biegen wir rechts in die Via San Martino ein und erreichen den gleichnamigen Platz, indem wir um das Barnabiterkloster herumgehen, das die Ostseite des Platzes versperrt. Zu dem Gebäudekomplex gehört auch das Pfarrhaus (17. Jh.), das an die Kirche San Martino anschließt. Die Barockkirche ist innen reich ausgeschmückt und wurde 1696 von den Barnabitermönchen errichtet. Gegenüber, eingezwängt zwischen dem Palazzo Crivelli di Lumello (rechts) und dem Palazzo Cacherano della Rocca (links), steht die ehemalige Bruderschaftskirche San Michele, deren Kirchturm einst der Turm des Palazzo Crivelli war. Heute ist die Kirche ein dynamisches Kulturzentrum und dem glorreichen Diavolo Rosso gewidmet. Der legendäre Radsportler Giovanni Gerbi ist auch der Held eines bekannten Lieds von Paolo Conte. Der letzte Abschnitt der Via San Martino, an der Ecke Corso Alfieri, schließt links mit dem Palazzo Ottolenghi ab (siehe Route Asti, das Viertel der Kathedrale) und rechts mit dem Palazzo dei Roero di San Severino e di Sciolze, der sich fast bis zur Piazza Roma erstreckt.

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Wir biegen jedoch von der Piazza San Martino in die Via Garetti ein, dem Herz der städtischen Movida. An der Ecke Via Balbo befindet sich der Palazzo dei Leoni, auch Palazzo dei Parati, dessen Eckstein ein Greif ziert und der einst der reichen Familie der Alfieri gehörte. Dem Gebäude aus dem 14. Jahrhundert liest man sein Alter nicht von der Fassade ab, sondern vom Innenhof mit zwei Säulen und einem Bogengang, und vor allem von den Innenräumen. Der mittelalterliche Fondaco (Lagerraum) im Erdgeschoss hat Spitzbogengewölbe, während im Obergeschoss die herrlichen, bemalten und mit Dukatengold verzierten Kassettendecken aus dem 16. Jahrhundert sowie der Originalfußboden aus Gitterziegeln restauriert wurden. In der Via Balbo Ecke Via Aliberti steht das schlichte und fast intakte mittelalterliche Haus der Gardini. Die Via Balbo hieß einst "Straße der Schlachthöfe" und noch heute befindet sich im Erdgeschoss des Casa Gardini eine Metzgerei. An der anderen Ecke, jenseits der Umfassungsmauer kann man den Garten des Palazzo Gastaldi erahnen. Das schöne Jugendstilgebäude ist heute Sitz des Consorzio di Tutela dell’Asti. Die Piazza Roma, an der es steht, wurde durch den Mäzen Graf Ottolenghi angelegt, der anlässlich des 50. Jahrestags des Albertinischen Statuts, der von Carlo Alberto 1848 in Kraft gesetzten Verfassung des Königreichs Sardinien-Piemont, die bis 1948 gültig war, auch das Denkmal der Einheit Italiens errichten ließ.

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Auf der Ostseite des Platzes erreicht man über eine kurze Treppe die Via Ottolenghi, wo die "Contrada degli Israeliti" begann, das 1723 eingeführte Jüdische Ghetto, das sich zwischen der Via Ottolenghi und der Via Aliberti erstreckte und nachts von zwei Toren verschlossen wurde.

In der Via Ottolenghi steht daher auch die Synagoge von Asti, eine der interessantesten des Piemonts, sei es wegen der Innenräume, sei es wegen ihrer einzigartigen, gut sichtbaren Lage im Stadtzentrum. Sie wurde Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet, aber die heutige Form verlieh ihr 1889 Graf Ottolenghi. Heute wird sie nicht mehr benutzt, da die ruhmreiche jüdische Gemeinde Astis beinahe nicht mehr existiert, aber das seltene Museo Ebraico (Jüdische Museum) befindet sich noch hier. Mit dem Jüdischen Ghetto beginnt die "Stadt der Händler", das Thema unserer nächsten Route: Asti, die Stadt der Händler.
Text von Pietro Giovannini
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